Lostopfavorit

„Bitte keine Wortwiederholungen im Text!“ predigte der Deutschlehrer im Unterricht.

Felix begann daraufhin seinen Text vorzulesen: Aus dem Lostopf wurde der Gefäßavorit gezogen…

„Stopp Felix!“ rief der Lehrer: „Was ist denn ein Gefäßavorit?“

„Weiß ich nicht.“

„Wieso verwendest du dieses Wort dann in deinem Text?“

„Weil Sie gesagt haben, wir sollen Wortwiederholungen vermeiden.“

„Was hat denn das damit zu tun?“

„Ich wollte nicht zweimal Topf schreiben. Aber wenn Ihnen das lieber ist, bitte schön!“ Felix begann erneut, seinen Text vorzulesen: Aus dem Lostopf wurde der Topfavorit gezogen…

Alarm auf dem Land

Mein Körper ist der Spiegel meiner Seele. Da sich mein Körper sehr müde anfühlte, sagte ihm meine Seele, er solle sich aufs Land bewegen, damit sie sich beide dort erholen können. Mein Körper bewegte sich also aufs Land, blieb aber bei seinen Bewegungen auf dem Land sehr wachsam. Diese Wachsamkeit hatte er sich durch sein Leben in der Stadt angewöhnt. Er sah sich sogleich bestätigt in seinem Verhalten, als er ein Verkehrsschild erblickte, dass vor Fuhrwerken warnt:

Höchst alarmiert rechnete er hinter jeder Kurve mit einem herandonnernden Fuhrwerk, vor dem er sich eventuell nur mit einem waghalsigen Sprung in den Straßengraben retten konnte. Meine Seele kam in dieser hektischen Atmosphäre nicht zur Ruhe, sodass sie anfragte, ob man nicht in die Stadt zurückkehren könne. Noch ehe sich mein Körper mit dieser Anfrage beschäftigen konnte, kam plötzlich ohrenbetäubender Lärm am Himmel auf. Mein Körper hielt sich die Ohren mit seinen Händen zu und rannte schutzsuchend in eine Scheune, wo er einen Mann antraf. Dieser Mann erklärte ihm, dass die Alarmrotte des taktischen Luftwaffengeschwaders 71 aus Wittmund in Ostfriesland soeben seine Scheune überflogen habe, was er jedoch nicht verstehe, denn für die Überwachung des süddeutschen Luftraums sei doch die Alarmrotte des taktischen Luftwaffengeschwaders 74 aus Neuburg an der Donau zuständig.

Meine Seele äußerte indessen den Wunsch, sich auf das Stroh in der Scheune zu legen, um etwas auszuruhen. Ehe mein Körper sich mit diesem Wunsch befassen konnte, sagte der Mann in der Scheune, dass sein Sohn im Fliegerhorst Lechfeld beschäftigt gewesen sei, bis er vor einigen Jahren ins nationale Lage- und Führungszentrum für Sicherheit im Luftraum nach Uedem am Niederrhein berufen worden sei.

Der Mann betrachtete nachdenklich einige Landmaschinen und -geräte, die vor ihm in der Scheune herumstanden und -lagen. Da kam ihm ein neuer Gedanke. Er sagte nämlich, jetzt fiele ihm ein, dass sein Sohn es sein könnte, der die Alarmrotte aus Wittmund geschickt hat, da er seinem Sohn vor einigen Tagen gesagt habe, er brauche dringend Ersatzteile für seinen alten Hanomag-Traktor, die jedoch nur in Norddeutschland zu bekommen wären.

Meine Seele meldete erneut den Wunsch an, sich ins Stroh zu legen, als es draußen wieder sehr laut wurde. Der Mann in der Scheune blickte mich mit großen Augen an und zeigte mit dem Finger nach oben, was nur bedeuten konnte, dass die Alarmrotte des taktischen Luftwaffengeschwaders 71 aus Wittmund in Ostfriesland wieder im Anflug war, weil sein Sohn sie geschickt hatte. Plötzlich machte es in dem ohnehin schon kaum auszuhaltenden Lärm einen lauten Knall. Einige Metallteile landeten daraufhin im Stroh neben uns. Meine Augen blickten nach oben und sahen ein Loch im Dach der Scheune. Durch einen Fluchtreflex lief mein Körper mitsamt meiner Seele ins Freie. Meine Seele erlitt einen Schock, war sie doch beim Aufprall der Metallteile im Stroh gelegen. Gottseidank ist sie unsterblich.

Der Mann kam fluchend aus der Scheune. Er schimpfte über das kaputte Dach, anstatt sich über die Ersatzteile für seinen alten Hanomag-Traktor zu freuen, die ihm sein Sohn via Alarmrotte, quasi per Expresslieferung, zugeschickt hatte. Meine Seele wollte dem Mann danken, dass er meinen Körper davon abgehalten hatte, sich ins Stroh zu legen, doch mein Körper unterließ diese Geste des Dankes. Er hörte mit seinen Ohren das Donnern der sich entfernenden Kampfjets der Alarmrotte, und nach den bisherigen Erlebnissen konnte man davon ausgehen, dass die Alarmrotte, nach der erfolgten Lieferung der Ersatzteile für den alten Hanomag-Traktor, einem Fuhrwerk hinterherjagte, das von Terroristen gekapert worden war.

Bilder vom Start der Alarmrotte in Wittmund zur Lieferung der Hanomag-Ersatzteile

Kommst du mit in den Alltag?

Auf einmal hat sie gesagt: Ich verlasse diese Stadt. Dieser Satz überschritt meinen Möglichkeitsraum. Ich bin daraufhin auf mein Fahrrad gesprungen und kreuz und quer durch die Stadt gefahren. Diese Stadt verlassen? Ich habe bitterlich geweint auf meinem Fahrrad, weil ich mir das nicht vorstellen konnte. Verlassen! Verlassen! Das war alles, was ich dachte. Ich bin immer kräftiger in die Pedale getreten. Ich spürte Nässe, ja natürlich, ich erinnere mich, es begann zu regnen. Ich bin weitergefahren, immer schneller, durch die Nässe. Muss ich diese Stadt jetzt auch verlassen wollen, um nicht von ihr verlassen zu werden? Ich will diese Stadt nicht verlassen!

Weißt du noch, rief ich, als wir auf der Wiese unter der alten Linde saßen, am anderen Ende die weidenden Schafe. Der Wind bewegte die grünen Blätter an den Bäumen und die weißen Wolken am Himmel. Im Hintergrund war das Brummen der Stadt zu hören. Weißt du das noch? rief ich durch den Regen.

Erschöpft kam ich in der Straße an und sah ihr Fahrrad im Regen stehen. Ich stellte mir vor, wie sie zufrieden mit ihrem Fahrrad durch diese Stadt fährt, durch unsere Stadt. Hier im Regen, bei ihrem Fahrrad, hier spielen also meine Träume. Wo ihre spielen weiß ich nicht. Haben wir zuviel geträumt? Morgen wird ein neuer Tag sein, die Sonne wird aufgehen, das Wunder wird von neuem beginnen, wie immer, ganz banal, ohne Träumerei.

Ich hörte die Musik nach draußen dringen. Ich ging hinein. Es war angenehm, im Trockenen zu sein, nach all dem Regen. Zu meinem Erstaunen viele Leute um mich. Zu meinem Erstaunen mein Blick zielsicher in die Ecke streifend, in der sie stand. Ich ging zu ihr und wir sahen uns tief in die Augen. Weißt du noch, wollte ich sagen, als wir auf der Wiese… – aber ich sagte nichts. Wir gehören doch zusammen! dachte ich sehr laut und ungestüm, aber auch das sagte ich nicht.

Sie sagte auch nichts, und sagte mir damit: Meine Träume sind woanders, wo auch immer, aber nicht hier. Sie schob mich beiseite und ging. Ich sank zu Boden, bis ich ausgestreckt auf dem Boden lag. Stille. Dann stimmten die Musiker auf der Bühne ein neues Lied an. Ich spürte plötzlich Hände an mir, Hände, die mich in die Höhe hoben. Ich wogte auf den Händen durch den Raum, im Rhythmus der Musik, und träumte von einem Alltag mit ihr.

Ist das alles was das Leben fragt: Kommst du mit in den Alltag?

Das Erzeugen des Erzengel Eugen

Michael, Gabriel und Raphael hatten sich längere Zeit nicht gesehen. Es war so ungewohnt für sie, sich wieder zu sehen, dass sie nicht wussten, was sie sagen sollten und schweigend am Tisch saßen.

Michael dachte an Erzengel. Er sprach diesen Gedanken aus und unterbrach damit das Schweigen.

„Wieso denkst du an Erzengel?“ fragte Gabriel.

„Weiß nicht… Ich glaube, die sind auch zu dritt – wie wir.“

„Stimmt!“ sagte Gabriel: „Michael, Gabriel und Raphael – die heißen auch noch wie wir!“

„Falsch: Es sind vier!“ sagte Raphael. „Ihr habt Uriel vergessen!“

„Moment!“, sagte Michael: „Ich habe ganz falsch gedacht. Es gibt nicht nur drei oder vier Erzengel. Es gibt noch mehr Erzengel als Michael, Gabriel, Raphael und Uriel. Jetzt erinnere ich mich, dass ich mal gelesen habe, dass es zwölf Erzengel gibt!“

„Schade, nur zwölf. Gibt es nicht noch einen? Meine Lieblingszahl ist nämlich die Dreizehn!“ meinte Raphael.

„Wir können einfach noch einen erzeugen“, schlug Gabriel vor, „und nennen ihn den Erzengel Eugen.“

So hatte sich aus dem anfänglichen Schweigen bei ihrem Wiedersehen eine muntere Konversation zwischen Michael, Gabriel und Raphael entwickelt, die einen ersten Höhepunkt mit dem Erzeugen des Erzengel Eugen erlebte.

Endgültige, fundierte Klärung der Anzahl der Erzengel