Sommermärchen, immer wieder

Deutschland ist seit 2006, seit der Fußballweltmeisterschaft im eigenen Land, ein Sommermärchenland. Da wurde gefeiert und Fahnen wurden geschwenkt. Eine Selbstberauschung historischen Ausmaßes.

Ich bin vernarrt in den Fußball, in seine Athletik, in seine Taktik. In seine Einfachheit, in seine Komplexität. Ich liebe dieses Spiel.

Als der letzte Elfmeter geschossen war, zogen sie laut und grölend durch die Straßen und betranken sich noch mehr, als sie ohnehin schon waren. Eine Selbstberauschung historischen Ausmaßes. Sind wir im Krieg gegen andere Nationen, oder war es nur ein Fußballspiel?

Ich habe gelesen: In Frankreich, der Grand Nation, also der Nation der Nationen überhaupt, zumindest laut Selbstdefinition, gehen sie ins Bistro und schauen sich ein Fußballspiel an, ohne grölend die Fahnen zu schwenken, einfach so. Und danach reden sie miteinander und gehen nachhause. Ja, geht denn das? fragt da der Deutsche. Wo bleibt denn da das Sommermärchen? Und zieht fassungslos weiter, mit einer Flasche Bier in der Hand.

Ich brauche den Fußball, aber brauche ich dazu die National-Mannschaften? Ich habe gelesen: Patriotismus ist, wenn man sein Land liebt. Nationalismus ist, wenn man die anderen Länder hasst. In Tagen des Brexit, des Aufschwungs der Rechtspopulisten, löst der Begriff der Nation bei mir Angst aus. Angst vor Abgrenzung und Isolation.

Müssen jetzt auch noch die National-Mannschaften gegeneinander spielen? – Beruhige dich, Emil: Es ist alles nur Fußball, sagt eine innere Stimme zu mir. Na denn: Prost Sommermärchen!

BRD gegen UdSSR 1972