Kassenkrieg

Die Situation in der ich mich befand war eine zufriedenstellende, Samstag Vormittag beim Einkaufen, draußen schien die herbstliche Sonne, ein freies Wochenende vor mir, freudig stand ich unter meinen Mitmenschen in der Kassenschlange, die Situation war derart zufriedenstellend, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, sie festzuhalten in Worten, im Gegenteil, es war ein angenehmer Fluss in mir, trotz des Wartens in der Kassenschlange, den ich nicht durch Festhalten unterbrechen wollte. Eine zweite Kasse wurde geöffnet, um die Schlange mehr ins Fließen zu bringen, ein zweiter Abfluss wurde geschaffen, und ich beschloss, den zweiten Abfluss zu benutzen, gerade als ich diesen Beschluss gefasst hatte, drängte sich ein hinter mir Wartender an mir vorbei, so war jedenfalls mein Eindruck seines Vorgehens, sein Vorgehen war ein Vordrängen. Nun empfand ich die Situation nicht mehr zufriedenstellend, eine leichte Unzufriedenheit stellte sich ein, weshalb ich nun beschloss, diese leichte Unzufriedenheit in leichte Worte zu fassen, und ich sagte zum Vordrängler: Sie haben es wohl sehr eilig?, woraufhin der Vordrängler sagte: Ich habe ja nicht viel!, eine Antwort, die mich erstaunte, erschien sie mir doch nicht logisch, denn nur weil man wenig Sachen zu bezahlen hat, erwirbt man doch nicht das Recht zum Vordrängeln, es war eine pure Dreistigkeit, sich vorzudrängen mit der Begründung, nicht viel zu haben. Erstaunte mich diese Antwort nur oder verärgerte sie mich? So genau kann ich das im Nachhinein nicht mehr sagen, ich denke es mischte sich bereits Ärger ins Erstaunen, doch dazu später, denn ich getraue mich zu behaupten, dass zu diesem Zeitpunkt das Erstaunen den Ärger überwog, antworte ich doch auf sein Ich hab ja nicht viel mit: Ich hab auch nicht viel, woraufhin er meinte: Ich war aber schneller!, und jetzt, das spüre ich ganz deutlich während ich erzähle, jetzt kam zum Erstaunen der Ärger, sein permanentes Rechtfertigen, das ich im Nachhinein als konsequente Kommunikationsverweigerung interpretiere, begann mich zu ärgern: sich vorzudrängen und anschließend zu versuchen, sich dafür zu rechtfertigen, mit despektierlichen Äußerungen – was soll das? Hätte er gesagt: Entschuldigung, ich habe es eilig, mein ursprünglicher Zustand der Zufriedenheit hätte sich nicht verändert, das traue ich mich zu behaupten, aber seine Aussagen Ich hab nicht viel und Ich war schneller erlebte ich als eine Respektlosigkeit, die mein Erstaunen in Ärger verwandelte, Krieg war nun unvermeidlich, das Schlachtfeld war eröffnet, ich sagte zu ihm, und ich höre mich mit zynischem Unterton sprechen: Das hier ist also ein Wettbewerb? Ein Gegeneinander? Wer schneller ist? Wer sich listiger am anderen vorbeidrängelt?Ich bin zwar älter als Sie aber schneller, das gibt’s, entgegnete er meinen Angriff, die Schlacht war in vollem Gange.

Ich blickte ihn reglos und durchdringend an, ich spürte meinen Ärger – und wahrscheinlich sah er ihn in meinen Augen – ich blieb aber äußerlich ruhig, wie ein Raubtier, das seine Beute zappeln lässt. In diese Spannung hinein sagte er: Haben Sie sonst keine Probleme?Nein, sonst habe ich keine Probleme. Sonst erlebe ich allgemeine Zufriedenheit. Nur mit Ihrem Vordrängeln, das Sie schlau und toll finden, habe ich ein Problem, weil ich es respektlos und dumm finde. Er winkte ab und vergaß dabei zu bezahlen, obwohl der Kassier ihm bereits den Preis genannt hatte.

Ich fühlte mich als Sieger dieses Wettbewerbs, und zur Kür sagte ich: Schnell! Schnell! Bezahlen Sie! Und packen Sie schnell Ihre Sachen! Zeigen Sie mir, wie schnell Sie sind! Er räumte das Feld, die Schlacht war vorüber.