Kniefall

Es ist ein Herumgepoltere und Geschreie, dass ich mir am liebsten die Ohren zuhalte. Jeder will Recht haben, und hat damit Recht: Denn es stimmt – jeder hat Recht, solange er in seinem Rechthaben das Recht des anderen achtet. Doch überall reklamieren die Despoten das Recht für sich alleine und ernten begeisterten Beifall. Immer mehr rücksichtslose Rechthaber scheinen die Spitzenämter der Politik zu besetzen.

Aus Angst entlarvt zu werden und um von sich abzulenken, wird als letztes Mittel die Nazikeule gegen Deutschland geschwungen. Doch die Geschichte teilt nicht in Gut und Böse, in Opfer und Täter. Waren die Menschen, die aus Ostpreußen vertrieben wurden, lauter schlechte Menschen, nur weil sie Deutsche waren? Wer hat hier Recht? Die Sowjets, die danach kamen? Oder die Polen, die vor lauter Angst nicht mehr wussten, ob sie nach links oder rechts schauen sollen?

Wo bleibt die Demut in diesem Geschreie? Die Geste der Demut ist eine große Geste. Viele sagen, Willy Brandt war damals lediglich ein großer Schauspieler, werfen ihm kalkuliertes Theater der Weltgeschichte vor, das er aufführte bei seinem Kniefall am Warschauer Ghetto-Ehrenmal am 7. Dezember 1970. Aber ich glaube an die Wahrhaftigkeit dieser Geste.

Ich wünsche mir, dass die Despoten, die in mir Angst und Schrecken auslösen, sich hinknien in Demut vor dem Leben, auch wenn diese Geste vielleicht viel größer ist, als sie verkraften können.