Der durchschnittliche Mensch der westlichen Welt

Der durchschnittliche Mensch der westlichen Welt fühlt sich getrennt von den Menschen und der Welt. Diesen Gedanken dachte ich, als ich den Gehweg entlangging, von dem ich nicht getrennt war, denn mit jedem Tritt berührte ich das Pflaster unter mir. Ich dachte an die Erde unter dem Pflaster, ob sie noch lebt, oder ob sie getrennt ist vom Rest der Welt, ich dachte an die Erde unter der ganzen Stadt, die unter Pflaster, Asphalt und Beton ein getrenntes Dasein vom Rest der Welt führt.

Mitten in diese Gedanken, die mein Tritte auf dem Gehweg begleiteten, vernahm ich einen Ruf aus einem parkenden Auto:
„Könnten Sie mir bitte helfen?“
Eine mutige Tat, in dieser getrennten westlichen Welt nach Verbindung zu rufen.
Ich blickte zum Auto, aus dem ich den Ruf vernommen hatte, und sah einen Mitmenschen, der den Kopf aus dem geöffneten Fenster der Fahrertür hielt. Der Mitmensch sagte:
„Könnten Sie die Heckklappe meines Autos öffnen?“
Er hatte das Auto rückwärts geparkt, sodass die Heckklappe vom Gehweg aus zu öffnen war.
„Ja, aber… wieso denn?“ fragte ich mit meiner skeptischen westlichen Art, der jede Art von Verbundenheit suspekt ist.
„Die Parklücke ist so eng, dass ich über die Türen mein Auto nicht verlassen kann.“
Jetzt erst sah ich es: Die Parklücke, in die der Mitmensch mit seinem Auto gestoßen war, war so eng, dass er sein Auto nur mehr über die Heckklappe verlassen konnte.

Gottseidank war das Auto etwas älter: Die Heckklappe war mechanisch zu öffnen. Hätte man sie per elektrischem Fußsensor öffnen müssen, wie bei vielen neueren Autos, wäre mir das Öffnen nicht möglich gewesen, da der Spalt zwischen Stoßstange des Autos und Gehweg zu schmal war, um meinen Fuß dazwischen zu bekommen. Ich öffnete mechanisch die Heckklappe, woraufhin der Mitmensch durch sein Auto robbte, um ihm über die Heckklappe zu entsteigen.
„Vielen Dank, Sie haben mir sehr geholfen!“ sagte er, und in meiner Euphorie der Verbundenheit mit meinem Mitmenschen, dem ich eben dazu verholfen hatte, seinem Auto entsteigen zu können, wollte ich ihn umarmen, ließ es aber mit meiner zögernden zurückhaltenden westlichen Art bleiben und sagte höflich lächelnd:
„Gibt es sonst noch irgendetwas, was ich für Sie tun kann?“
„Nein, im Moment nicht, danke“, sagte der Mitmensch und lächelte höflich zurück.

Ich ging weiter. Meine Tritte auf den Gehweg waren nun verbundener, und ich glaubte, die Erde unter dem Pflaster zu spüren. Ich sah den blassen weißen Mond am blauen Himmel, der an diesem Tag tagsüber schien. Ich dachte an dich. Du warst gerade in der Moschee, um dein Arabisch zu üben. Ich verstehe – als durchschnittlicher Mensch der westlichen Welt – nichts davon, doch plötzlich öffnete sich durch dein Arabisch eine Welt für mich. Ich fühlte mich sehr verbunden mit dir. Ich flüsterte leise Ich liebe dich, für dich und die ganze Welt.