Geburtstag des Kindes

Etwas war anders als sonst, und um ehrlich zu sein, wusste ich nicht, wo ich bin. Das Holz des Dielenbodens knarzte, das Holz im Ofen knisterte. Um herauszufinden, wo ich bin, beschloss ich, zunächst einmal nach draußen zu gehen. Aber draußen nur Stille, nichts weiter. Es war Winter, das darf als ziemlich sicher gelten: Es lag Schnee auf dem Boden. Die Zweige der Obstbäume waren kahl. Ein Vogel, den ich aus dem Schlaf geweckt hatte, flatterte aus dem kahlen Geäst. Obwohl es dunkel war, sah ich recht deutlich, denn der Schnee auf dem Boden erhellte alles.

Von der Ferne sehe ich die Lichter der Stadt, die sich plötzlich in ein flammendes Inferno verwandeln. Wie gelähmt sehe ich das Spektakel am Horizont. Bomben schlagen ein, ja, es müssen Bomben sein, denn ich kann sie hören. Weiß ich, wie sich Bomben anhören? Das Grauen ist in der Ferne und gleichzeitig ergreifend nah. Die räumliche und zeitliche Ferne sind in diesem Moment nicht zu unterscheiden. Es ist so: Die Augen eines kleinen Kindes sehen die Bomben einschlagen. Das kleine Kind ist nicht mehr da, doch die Bomben sind es immer noch.

Diese Überlegungen bringen mich zur Frage zurück, wo ich überhaupt bin? Während ich mich auf diese Frage konzentriere, bemerke ich wieder die Ruhe um mich. Ich drehe mich um zum Haus, aus dem ich gekommen bin, und sehe die erleuchteten Fenster. Ich beschließe, wieder ins Haus zu gehen, und gerade als ich hineingehen will und dabei an Theresa denke, höre ich Josefine rufen, mit der ich in diesem Moment nicht gerechnet habe. Ich drehe mich also wieder um, sehe die kahlen Obstbäume und die Lichter der Stadt und Josefine, die sich dem Haus nähert.

Josefine hat ein Kind bei sich. Was ist das für ein Kind? frage ich. Das ist unser Kind! sagt Josefine, was eine Antwort ist, die mich einigermaßen in Erstaunen versetzt. Ich sehe Josefine an und erinnere mich, dass wir uns gesucht haben, und der Raum, in dem wir uns gesucht haben, war voller Irrungen und Wirrungen, sodass ich diesen Raum, in dem wir uns gesucht haben, als Labyrinth bezeichnen möchte. Völlig erschöpft haben wir uns schließlich gefunden, aber trotz oder wegen der Erschöpfung – das kann ich nicht mehr genau sagen, es war mehr ein Gefühl, das uns antrieb – sind wir übereinander hergefallen. Es gab keine andere Wahl in diesem Labyrinth, als übereinander herzufallen. Wir haben unseren Schweiß und unseren Atem gespürt. Ich erinnere mich gern daran. Während ich mich also daran erinnere, wie wir im Labyrinth übereinander hergefallen sind, umarmt mich Josefine mit dem Kind.

Weshalb bist du gekommen? frage ich Josefine. Was ist los?Wir feiern Geburtstag, sagt Josefine. Geburtstag? Diese Antwort erstaunt mich so, dass ich erneut ganz vergesse, darüber nachzudenken, wo ich überhaupt bin.

Wir gehen nach drinnen ins Haus. Es riecht nach Kerzenwachs. Eine angenehme Wärme durchströmt meinen Körper. Ich habe Hunger, und schon steigt der Duft von frisch Gekochtem in meine Nase. Wir essen also. Ich weiß nicht, wer aller am Tisch ist, denn ich habe solchen Hunger, dass ich mich auf den Geruch und den Geschmack des Essens konzentriere. Es ist anzunehmen, dass Josefine und das Kind am Tisch sind, aber es sind noch weitere Personen am Tisch, die ich jedoch im Moment nicht wahrnehme, was mir selber ein Rätsel ist. Ich nehme jetzt Josefine und das Kind wahr, ganz deutlich. In diesem Moment sagt Josefine, dass das Kind müde sei. Doch statt zu schlafen, schreit es wie am Spieß. Ich beginne, dem Kind Schlaflieder vorzusingen, zum Beispiel Schlafe in himmlischer Ruh.

Als das Kind sich endlich beruhigt hat und nah am Einschlafen ist, klopft es plötzlich an der Tür. Ich weiß nicht mehr, wer die Tür geöffnet hat, vielleicht war es Theresa, ziemlich sicher war es Theresa. Oder war es jemand anderer, der am Tisch gesessen war, um die Tür zu öffnen. Ich weiß es nicht mehr, sodass ich annehme, dass es Theresa war, die die Tür öffnete. Jedenfalls hieß es, die Heiligen Vier Könige seien an der Tür. Ich fragte Josefine, ob das sonst nicht immer drei wären. Sie antwortete nicht auf meine Frage. Stattdessen kamen die Heiligen Vier Könige herein und wollten dem Kind ein Geburtstagsständchen spielen. Ich merkte an, dass das Kind gerade am Einschlafen sei. Ob sie nicht ein Schlaflied singen könnten statt dem Geburtstagsständchen und das Geburtstagsständchen auf morgen verschieben? Die Heiligen Vier Könige willigten ein und spielten ein Schlaflied.